Und zack sind wir wieder alle vollständig im Online-Unterricht. Klar, wir haben nun alle unsere Erfahrungen damit. Vorlesung-Livestreaming, Podcasting, etc. haben sogar ihre Vorteile. Völlig willkürlich nenne ich hier mal, dass ich Gruppen in Breakoutsessions viel besser im Griff habe, als wenn sie sich im ganzen Gebäude der Uni verteilen. Ich kann virtuell von Gruppe zu Gruppe springen, kann mehr Zeit in deren Betreuung investieren und klickt man auf “Breakoutsessions beenden” sind alle in Sekunden wieder in der Klasse. Da verliere ich in real jeweils gut und gerne 5-10 Minuten pro Übung. Das ist sehr effizient und mit hohem Lerneffekt. Oder Podcasts, die man während einer gewissen Zeitperiode mehrfach nutzen kann, wenn man sie einigermassen schlau produziert hat. Doch es gibt auch gewisse Grenzen und Herausforderungen, die ich gerne mit euch diskutieren möchte.
Wenn ich z.B. drei ganze Tage doziere, reduziere ich die Anzahl Minuten pro Lektion, mache mehr Übungen und Pausen, etwas weniger Stoff und das Ganze, je nach zur Verfügung stehender Vorbereitungszeit (und das habe ich definitiv nicht immer!), interaktiver mit Quizzes, Kahoots und probiere immer mal was Neues aus. Trotzdem starre ich als Dozent defacto drei Tage lang über 8h in meine Bildschirme. Nebst der eh schon krass langen Zeit vor den Bildschirmen (alle internen Sitzungen per Teams, Kundenmeetings ebenso, …) kommen so bei mir in einer lehrintensiven Woche nochmals 30h Bildschirm dazu, die ich vorher stehend in Vorlesungssälen verbrachte. Das ist zu viel. Zu viel für mein Hirn. Zu viel für meine Augen. Schmerzende Augen und Kopfschmerzen sind die Folge… Ebenso merke ich, dass ich mehr Sport bräuchte, was ich noch nicht umgesetzt habe. Die Monitore haben nun Blaulichtfilter, ich meine erste Lesebrille. Ich will nicht rumjammern, es ist einfach deutlich mehr geworden und ich merke, dass ich da nun was ändern möchte.
Apropos Bildschirme: Ich habe inzwischen deren drei sowie ein Tablet, mit denen ich alles im Griff habe. Meine Kommandozentrale, wie ich sie nenne. Als nächstes werde ich mir wohl eine oder sogar zwei hochauflösende Webcams zulegen, da mir die Laptop-Kamera zu schlecht auflöst und einem immer in die Nasenlöcher starrt… 😉 Eine möchte ich auf dem Bildschirm positionieren und eine weitere auf einem Stativ. So dass ich auch mal im Stehen dozieren oder andere Perspektiven zeigen kann kann. Zusätzlich zum Profi-Bluetooth-Noise-Cancelling-Headset mit Mikrofonbügel fände ich ein Funkmikro am Pulli und Böxli für den Ton auch eine Überlegung wert. Denn meine Ohren schmerzen manchmal ganz schön…
Aber ganz ehrlich, ich bin Dozent geworden, um 30 Lektionen (oder sogar Stunden) pro Woche in einen Bildschirm zu quatschen. Und Podcasts alleine erachte ich gerade in CAS nicht als zielführend. Unterstützend, ja. Aber die Interaktion, das individuelle Lernen und die Gruppendynamik geht da deutlich weniger gut. Hätte ich jetzt unendlich Zeit und wäre mein Fachgebiet weniger dynamisch, würde ich wohl alles auf YouTube stellen und mir vielleicht eine jedes Semester ähnliche Lösung mit https://edpuzzle.com/ überlegen. Aber mit 12-24 Studis mit völlig heterogenem Hintergrund und jedes Semester ganz anderer Dynamik in den Klassen und der exponentiellen Entwicklung von Themen in den Bereichen Online Marketing, Social Media, E-Commerce und Digitaler Transformation in allen verwandten Bereichen? Hmmm… es skaliert einfach nicht. Letztes Semester hatte ich in der Mastervorlesung mit rund 100 Studierenden rund 60% mehr zu tun, als in früheren Semestern (ich protokolliere alles agenturgeprägt auf 15 Minuten genau und kann das darum relativ genau sagen). Der Vorteil des Wegfallens des Arbeitswegs ist damit gänzlich futsch. Klar, da war auch einmaliges Zeugs und eigenes Lernen dabei. Aber es braucht schlicht mehr Zeit für die Vor- und Nachbereitung und die Betreuung, wenn man nicht eine Pause in einer Vorlesung für individuelle Fragen nutzen kann und die Studis kurz vorbeikommen. Nicht zuletzt stelle ich mir die Frage, wie das für die Studis auf Dauer wirkt. Einige haben mir schon erzählt, dass sie ihre Bildschirme ebenfalls nicht mehr sehen können… es macht sich so langsam aber sicher eine gewisse Müdigkeit breit. Und einige sagen, dass sie mehr zu tun hätten, da die Dozierenden die virtuellen Lernaufträge gnadenlos unterschätzen würden. Ob das so ist, weiss ich nicht.
Ich mutmasse, dass ich nicht der Einzige bin, der sich hierzu Gedanken macht.
- Was habt ihr für Equipment in der Lehre? Habt ihr mehrere Webcams? Stehpulte? Beamer? Ein virtuelles Klassenzimmer nachgebaut?
- Was macht ihr gegen die zunehmenden Bildschirmkrankheiten (Augenschmerzen, zu wenig Bewegung, Ohrenweh wegen Headsets, etc.)?
- Wie ist der Arbeitsaufwand für euch während dem Semester im Vergleich zu normalen Vorlesungen?
- Wie ergeht es auch ganz allgemein so in der virtuellen Lehre?
Liebe Grüsse und bliibet gsung
Olivier